Sven Boenicke wurde bekannt für seine Lautsprecher, aber im Angebotsportfolio von Boenicke Audio gibt es auch verschiedene Kabel. Ein solcher Artikel – Boenicke Audio S3 Lautsprecherkabel – wurde mir vor einigen Wochen auf den Weg geschickt und somit zum Thema dieser Rezension. Viel Spaß!
Einführung
Ein DAC von einem ausschließlich für Streamer bekannten Audiohersteller klingt faszinierend, nicht wahr? Wie wäre es mit einem Verstärker, der von einem Lautsprecherhersteller herausgegeben wird? Oder ausgewachsene Audioracks von jemandem, der bisher nur zierliche Entkopplungspucks angeboten hat? Jeder dieser durchaus realistischen Fälle bedeutet eine Portfoliovergrösserung, was natürlich in Ordnung ist, solange es bei diesem natürlichen Prozess um mehr geht als nur einen direkten Angriff auf unsere Geldbörsen. Die meisten Hersteller, die lange genug im Geschäft sind, erweitern schließlich ihr Kernangebot um ergänzende Produkte, was der sichere und gemeinverständliche Weg ist. Da sie jedoch hauptsächlich auf der Jagd nach dem ultimativen Klang sind und sich nicht auf Etikettendarstellung beschränken, wird es für die Hersteller nicht einfacher – besonders nicht, wenn sie mit ihren Entwicklungen Neuland betreten.
Audiophile wählen in der Regel gezielt spezielle Marken aus, die für eine bestimmte Produktart bekannt sind. Zwei oder mehr Produktarten vom selben Hersteller sind eher die Ausnahme.
Vertrauensvorschüsse als Zeichen der Wertschätzung gegenüber einem Audiounternehmen sind vom Tisch – das ist albern für den Wissenden und denjenigen, der hinhört, vergleicht und erst danach Geld ausgibt. Deshalb ist es eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, eine neue Produktkategorie qualitätsmäßig auf Augenhöhe mit dem Ursprungsprodukt, für welches der Hersteller seine Meriten verdient hat, zu platzieren und sie dann langfristig ebenso erfolgreich zu vertreiben. Die meisten dieser Versuche enden als blosse Sortiments-Platzhalter, die von den potenziellen Kunden, für die sie eigentlich gemacht wurden, nicht ernst genommen werden. Es klingt hart, aber so ist das.
Würde ich von irgendeinem Herstellervertreter über eine neue Produktart hören, die eigentlich ausschließlich zur Befriedigung von Kundenanfragen lanciert wurde, wäre ich bestenfalls leicht interessiert und höchstwahrscheinlich überhaupt nicht beeindruckt, was manchmal leider wirklich passiert. Unnötig zu sagen: Es ist ein ziemlicher Unterschied zwischen bestenfalls leicht interessiert zu sein und aus wirklichem Eigeninteresse nachzuforschen und beim Hersteller für ein Testexemplar anzufragen.
Aber was wenn mir gesagt wird, dass ein völlig neuer Produktzweig entstanden ist, sei es durch intensive Forschung, mehrere konsultierte wirkliche Spezialisten, neue Maschinen oder eine feste Grundidee, was überhaupt zu tun ist?
Das ist dann eine andere Geschichte! Jedes dieser Beispiele könnte als Initialzündung für einen neugierigen Schreiberling dienen, zuerst ein Testmuster zu bestellen und später alle restlichen Fragen zu stellen, was hier jedoch nicht der Fall ist. Eine Zusammenarbeit zwischen zwei inzwischen sehr bekannten europäischen Unternehmen ist zufällig das Hauptthema dieser Besprechung, und die Offenheit und Transparenz der beiden Firmeneigentümer machte die Sache umso interessanter. Diesmal kamen alle meine Fragen zuerst.
Mein ziemlich gutes Verständnis von Sven Boenicke’s Lautsprechern und Philosophie führte dazu, dass ich die Modelle W5 und W8 des Mannes vor einigen Jahren kaufte. Die zweite Firma – LessLoss – hatte auf dieser Plattform erst vor einem Jahr ihr Debüt, ist mir aber schon viel länger bekannt. Drei ihrer seit Oktober 2018 besprochenen Produkte ermöglichten es mir, die Visionen von Louis Motek zu erfassen, was zu meiner Anerkennung in Bezug auf seine Arbeit führte. Alle LessLoss Testprodukte verwandelten sich in sehr nützliche Werkzeuge in meinem eigenen Hörraum, so dass sie bei mir geblieben sind – was wahrscheinlich eine Empfehlung ist, die mehr aussagt als irgendein Preis, der mir einfällt. Meine kontinuierliche Erfolgsbilanz mit beiden Marken ist jedoch nicht ausschlaggebend für diesen Testbericht hier, der Schwerpunkt liegt woanders. Nicht nur sind Sven und Louis seit etwa zwei Jahrzehnten gut miteinander bekannt, sondern teilen auch ihre Erfahrung, was die Signalübertragung und Resonanzkontrolle im Audio-Bereich betrifft – das ist das Interessanteste. Das heutige Boenicke Audio S3 Lautsprecherkabel ist das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit.
Konstruktion
Als ich Sven und Louis fragte, wie das heutige Produkt entstanden ist, kamen von beiden Seiten aufschlussreiche Antworten, und waren überdies die Gleichen. Dieser Status quo hielt Spekulationen fern und legte nahe, dass offenbar beide bereit sind, über Fakten zu sprechen, anstatt den eigenen Beitrag besonders beleuchten zu wollen und einander den Ruhm streitig zu machen. OEM-Module eines Herstellers, die sich in einem Produkt mit anderem Logo befinden, sind nichts Neues, aber die Geheimhaltung solcher Kooperationen ist die übliche Routine der Audioindustrie. Deshalb empfinde ich die schweizerisch-litauische Einstellung als erfrischend gesund und angenehm.
Die litauische Herkunft des S3 ist kein Geheimnis, es kam direkt aus dem LessLoss Hauptquartier zu mir, denn dort wird das S3 gebaut. Die Idee hinter diesem Produkt entstand jedoch in Sven’s Kopf. Nachdem der Schweizer vor einiger Zeit enormes Potenzial in der von LessLoss entwickelten Technologie erkannt hatte, fragte er Louis nach der Machbarkeit eines Kabels, das auf dem gleichen LessLoss Kernprinzip basiert, dies aber beinahe perfektioniert und exklusiv unter der Marke Boenicke Audio verkauft werden könnte. Sven finanzierte die Forschung und Entwicklung des neuen Kabels und wurde alleiniger Eigentümer dieses Designs – der S3 Verkaufspreis erinnert uns daran, dass Exklusivität im Audiobereich eine kostspielige Sache ist.
Boenicke Audio S3 ist Sven’s derzeitiges Top-Lautsprecherkabel, die beiden anderen heissen S1 und S2. Die Fertigstellung der endgültigen Version dauerte dank der sehr speditiven und professionellen Arbeitsweise von LessLoss nur drei Monate. Die LessLoss C-MARC-Technologie selbst hat sechs Jahre Forschung und Entwicklung in Anspruch genommen, aber vor allem erklärte Louis, dass sie theoretisch grenzenlos skalierbar ist, um entsprechend immer noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Jede zusätzliche fraktale Replikationsgröße über der C-MARC-Kerntechnologie (wie sie in allen derzeit angebotenen LessLoss-Kabelprodukten zu finden ist) erhöht jedoch die Komplexität und führt somit zu einem erheblichen Anstieg der Fertigungszeit und -schwierigkeiten, was sich dann auf die Kosten auswirkt. Kurz gesagt, dafür hat Sven eigentlich bezahlt. Sein eigenes S3-Lautsprecherkabel ist von Natur aus ein C-MARC, das auf die nächste Stufe gehoben wurde.
In vielerlei Hinsicht ist das Boenicke Audio S3 dem LessLoss C-MARC sehr ähnlich, das ich seit einigen Monaten verwende. Beide Produkte haben eine Laufrichtung, merzerisierte Baumwolle innen und außen und kommen jeweils als vier einzelne Stränge, zwei pro Lautsprecher. Diese Trennung dient dazu, die Wechselwirkungen zwischen den Polaritäten der ‘+’ und ‘-‘ Linien zu minimieren. Das S3 ist wesentlich dicker, also weniger geschmeidig und wurde mit Massivholzhülsen anstelle von Schrumpfschlauch (an den Enden des LessLoss C-MARC) terminiert. Es ist keine Überraschung, dass beide Produkte gleich gut verarbeitet sind, aber beide in der Hand haltend ist es ziemlich offensichtlich, welches davon teurer ist.
Um die schweizerisch-litauischen Transparenz weiter zu huldigen, wurde ein Ansichtsstück des S3 mit offenem Querschnitt geschickt, das den entscheidenden Unterschied zwischen dem S3 und dem erschwinglicheren C-MARC von LessLoss offenbart. Die S3 Leiter mit 3.5 mm2 Gesamtquerschnitt pro Polarität sind ein 99,99% reines, kryogenisiertes Geflecht, das um den Kern aus dicht gepackter merzerisierter Baumwolle gesponnen ist. Jede seiner einzelnen lackisolierten 0,125 mm dünnen Kupferlitzen ist spiralförmig im Uhrzeigersinn gewickelt, und hat ein entgegengesetzt gewickeltes Leiterpendant mit exakt derselben Steigung. Zwei entgegengesetzt polarisierte Magnetfelder, die an der gleichen Stelle im Innern jeder langgezogenen Spule induziert werden, müssen sich gegenseitig aufheben. Dies führt zu Störsicherheit und einem totenstillen Kabel, das praktisch immun gegen HF-Aufnahme ist, jedoch ohne oft klangschädliche Abschirmung auskommt. Diese Flechtgeometrie, auch Humbucker genannt, ist der Kern des C-MARC-Prinzips. Das S3 beinhaltet 24 Bündel mit je 12 leitenden Litzen, also insgesamt 288 Litzen. Die Hälfte der einzelnen Litzendrähte ist links-spiralig, die andere Hälfte rechts-spiralig. Dies gilt wiederum im Verhältnis 50-50 auf die resultierenden Bündel und bildet so den fraktalen Effekt auf der zweiten Ebene.
Die Nussbaumhülsen des S3 sind mit schön gelaserten “Amp +” und “Amp -” Markierungen versehen, was auch die Laufrichtung vorgibt. Obwohl optisch recht mächtig, ist das Kabel selbst überraschend leicht. Mein Leihkabel wurde mit KLEI Classic Harmony BFA-Bananenstecker von Eichmann ausgestattet, natürlich ohne die originalen Kunststoffgehäuse. Je weniger künstliche Materialien es in der Konstruktion gibt, desto besser. Ein normaler Verbraucher, der die Kabel nicht unnötig oft ein- und aussteckt, wird damit völlig im Frieden sein. Wenn das S3 jedoch auf meinem Testplan steht, werde ich es höchstwahrscheinlich mehrmals täglich ein- und ausstecken. Am Lautsprecher in Betrieb führte die Steifigkeit des S3 in Kombination mit den relativ langen Holzenden zu einer ziemlichen Hebelwirkung an der Silberhülse selber. Es gab während der mehrwöchigen Nutzungszeit keine Fehlfunktion, aber als Kunde würde ich dieses potentielle Problem durch eine Terminierung mit Spades angehen. Da diese auch verfügbar sind, ist alles gut.
Wie klingt’s?
In der Testkette übernahm der fidata HFAS-S10U die Server- und Streamingaufgaben, dann übernahm der LampizatOr Pacific DAC (KR Audio T-100/Living Voice 300B + KR Audio 5U4G Ltd. Ed.) die Signalweiterleitung entweder an den Kinki Studio EX-M1 oder den Trilogy 925. Dann die Boenicke W8 bzw. Buchardt S400. Alle Schlüsselkomponenten wurden über LessLoss C-MARC-Kabel an den Power Conditioner GigaWatt PC-3 SE EVO+ angeschlossen, die über das LC-3 EVO-Kabel des gleichen Herstellers mit der Hauptwandsteckdose verbunden wurden. Die Amber-modifizierten Exzellenz-ICs von Audiomica Laboratory wurden in der Evaluierungsphase zwischen meinem DAC und den Verstärkern eingesetzt. Die Buchardt S400 Leih-Lautsprecher kamen auf Soundstyle Z1 Ständern zu stehen.
Das LessLoss C-MARC ist seit seiner Ankunft mein täglich benütztes Lautsprecherkabel, aber aus verschiedenen Gründen war es bei dieser Besprechung außer Dienst. Der im Vergleich zum Boenicke Audio S3 weitaus niedrigere Verkaufspreis ist von eher untergeordneter Bedeutung, im Gegensatz zu dessen Herstellungsprozess im selben Haus:
Die LessLoss-Technologie gegen die für ein anderes Unternehmen hergestellte “Überversion” antreten zu lassen, fühlte sich nicht richtig an. Doch kann ich bereits jetzt schon sagen, dass aufgrund des C-MARC-Geflechtstechnologie beide Produkte die gleiche Intonation haben, wie es zu erwarten ist. Der Unterschied zwischen den beiden ist nur ein Aspekt, wenn auch signifikant. Daher wäre das schweizerisch-litauische Duell alles andere als spannend. Um das S3 kennenzulernen und meine Ohren und Lesbarkeit zu überprüfen, spielte natürlich für eine Weile das viel billigere LessLoss C-MARC.
Aber das wichtigste Vergleichskabel für das S3 war das ebenfalls teure, klanglich andersartig aufspielende und insgesamt für die Aufgabe weitaus Passendere Luna Cables Rouge, das wir hier schon vorgestellt haben.
Als schwächstes Glied aller Klangvergleiche ist mein eigenes Gedächtnis der Grund, warum die Rückschau auf zuvor veröffentlichte Rezensionen nötig wurde. Es gibt keinen anderen Weg, wenn es sich bei der anstehenden Vergleichsarbeit um ein längst dem Hersteller zurückgegebenes Produkt handelt, das in der Vergangenheit besprochen wurde. Aber einige seltene Fälle haben mir ihre Performance so fest in das Gedächtnis gebrannt, dass es nicht nötig ist, zurückzuverfolgen, und Luna Cables Rouge, vor einigen Monaten getestet, ist zufällig ein solcher Fall. Es zeigte schnell seinen starken Fokus auf die Musik selbst und nicht auf einen völlig ehrlichen Ansatz im Vergleich zum Litauer. Die großzügige klangfarbliche Sättigung, Lebendigkeit, Sanftheit, sehr eingängige Pastellfarben und fröhliche Ausdruckskraft des Luna konkurrierten mit der feinen Ausgewogenheit und Detaileinsicht, dem Schwung, mit erhöhter Gesamtartikulation und Offenheit des C-MARC. Daraus ergaben sich zwei nicht ganz entgegengesetzte, aber sehr unterschiedliche Klangwelten. Beide Kabel punkten jedoch mit den gleichen Noten in Bezug auf Sauberkeit, Geschmeidigkeit, Raffinesse und alles andere, was mit der inhärenten Reife, dem Reifegrad und der Güte beider Ingenieursohren zusammenhängt. Der kanadisch-litauische Kampf endete damals unentschieden, aber das ist diesmal nicht der Fall.
Um auf den Elefanten im Raum einzugehen: Es ist die andere Potenzstufe der entscheidende Unterschied zwischen dem LessLoss C-MARC und dem S3 dieses Tests. Beide extrahieren und enthüllen die Qualität der zugehörigen Hardware, ohne etwas auf dem Weg schönzuspielen, aber als Nutznießer der C-MARC-Technologie der qualitativ sogar noch höheren und noch konsequenter umgesetzten Machart führt das S3 alle Schlüsselmerkmale auf resolutere und explizitere Weise ein. Nicht die Exklusivität und / oder die Vertriebsmargen des Designs, sondern das Herausholen des schier Machbaren in Richtung Hintergrundruhe und Auflösung ist in der Tat das, was erst dieses Kabel überhaupt zu Tage fördert – und das Rouge hat mir geholfen, dies zu verstehen.
Die Bass-Impulse des S3 führten schneller zu heftigeren und stärkeren Kicks, mehr Dynamik und Schnelligkeit sowie im Allgemeinen besser spürbarem Druck im untersten Stockwerk mit Material basierend auf künstlich erzeugtem Low-End. Das S3 griff tiefer und führte breitere, mühelosere, dynamischere Kontraste zwischen den Slams ein. Sein Bass war deutlicher umrissen als der des Rouge, wurde entsprechend den Anforderungen der vorgeführten Musik mit Textur gefüllt; von großzügig taktil und blumig bis direkt, etwas trocken, fest und kurz.
Sogar minderwertige Aufnahmen gerieten zur bestmöglichen Version von sich selber, das S3
stellte alle Unterschiede bemerkenswert gut dar, genau wie man es von einem echten C-MARC erwarten darf. Das Rouge hingegen ging nicht so tief wie sein Konkurrent, fühlte sich indes kräftiger an und injizierte stets angenehme Milde in den Bass. Wenn das S3 krass und wild zuschlägt, liefert das Rouge in weicherer, schonenderer und üppigerer Manier, während sein ebenfalls bewundernswertes Drehmoment im Vergleich dazu nicht ganz so durchzugsstark war. Der Fokus des Rouge auf Substanz und Rundheit im Bassbereich war etwas, das mir wirklich schon bewusst war, aber am interessantesten war, dass das S3 all dies nach jedem Umstecken einfach sehr offensichtlich machte.
Meine anfängliche Annahme, dass der Mitteltonbereich des S3 genau entsprechend der Masteringvorgabe reproduzierte, also trockener als das überaus saftige und farbige Rouge, war teilweise eine Fehlannahme. Zu meiner Überraschung erwies sich das S3 als ebenso ausdrucksstark und natürlich, solange hochwertiges Material verwendet wurde. Beide Kabel malten Frauenstimmen fein skizziert, subtil und von innen heraus saftig, und verstärkten Gitarren fehlte nichts ihrer rohen Energie bei Rockopern und Metal. Wenn überhaupt war das Rouge etwas runder, aber nicht so nah dran, feinste Klangfarbenveränderungen so deutlich darzustellen, da der inhärente Fokus mehr auf Sättigung und Gesamtintensität lag, was das Gefühl aufkommen liess, dass seine Mitten immer einem Verschönerungsverfahren unterzogen wurden. Dies führte zu einem bewundernswert stimmigen Effekt bei den meisten Tracks auf meiner Playlist. Auf Wunsch zauberte das S3 im Mitteltonbereich nicht weniger als das Rouge, aber flaches und uneinladendes Musikmaterial blieb das, was es ist. Viele Ohren könnten das S3 als übergenau empfinden, während ich es als ehrlich ausmache, und die eigentliche Frage wäre, ob man dazu bereit ist. Um fair zu sein, Sven’s Produkt reproduzierte Stimmen besser als sie ursprünglich waren, jedoch mittels zwei Merkmalen, die ausschließlich mit Raumdarstellung zu tun haben: klare Konturen in kornfreier Abbildung. Aber der Gesamtcharakter und die Klangfarben blieben intakt, welche das charmanter abgestimmte Rouge immer ein wenig betonte.
Geschmeidig, aufgelöst, leichtgängig und in den Höhen überhaupt nicht überbetont, haben beide Kabel sich hervorragend und gleichermassen bewährt. Das S3 extrahierte und vergrößerte mehr Nuancen und winzige Partikel, längere Hallfahnen und blieb immer äußerst subtil. Das Rouge spielte etwas gewichtiger, kürzer und dunkler, was seine natürliche Intonation tatsächlich gut ergänzte. Aber abgesehen von den grundsätzlich unterschiedlichen Herangehensweisen an die Musik erwies sich alles, was mit Bühnen- und Raumdarstellung zu tun hatte, als den zweitgrößten Unterschied zwischen beiden Kandidaten. Das Rouge rückte die allererste Reihe deutlich näher an mich heran und malte seine Protagonisten natürlich gross und massiv, also eher intim als perfekt ordentlich. Es bildete alle Instrumente in mehreren großzügigen, lose miteinander verbundenen Blasen ab, was ich für den emotionalen Charakter dieses Kabels als gut geeignet befunden habe.
Dieselbe Abbildungsarbeit hat das S3 wesentlich anders gemacht. Es vergrößerte den Abstand zwischen Hörplatz und virtuellen Schallquellen, um mehr Luft um sie herum zu geben und ihre Konturen feiner umrissen darzustellen, was zu weitläufigen und offenen Landschaften führte. In vielen Fällen würde dies bedeuten, dass die malerische Qualität des kernigen Rouge auf höchstem Niveau einer einheitlicheren, wenn nicht sogar etwas verwässerten Herangehensweise der S3 gegenübersteht. Aber das S3 hatte seine instrumentale und stimmliche Dimensionierung perfekt im Griff. Die Figuren schrumpften nicht, nur weil die erste Reihe etwas weiter entfernt lag, aber alles wurde in einem größeren Rahmen aufgezogen als beim Rouge – und allein das änderte viel. Aufgrund der höheren Basspotenz bildete das S3 großen Taiko-Trommeln im Hintergrund dennoch akustisch und optisch wuchtiger ab. Großzügig luftige Klangbühne, alle virtuellen Formen sind markanter, aber auch größere räumliche Breite, Tiefe und Gesamtkomplexität trugen zum Effekt bei.
Beide Produkte spielten hervorragend aus ihrem pechschwarzen Hintergrund. Das malerische, situativere Rouge ist klar darauf zugeschnitten, Musik stimmig und melodisch zu übermitteln, während das äußerst auflösende und universelle S3 die Musik selber und die angeschlossene Hardware offenbart. Der Unterschied in diesen Ansätzen ist alles andere als gering, und es wäre keine Überraschung, das Rouge als denjenigen Verbinder mit mehr Daumen nach oben zu sehen, ist es doch ein großer Charmeur und Publikumsliebling, aber meine Stimme geht eindeutig an das S3. Hochwertige Aufnahmen wurden so greifbar und lebendig dargereicht wie vom Rouge, erreichten mich mit dem S3 aber dank allergrösster Veredelung der Musik in allen Frequenzlagen schlichtweg substanziell mehr. Die Fähigkeit, in jeder Hinsicht ganz mit vorne dabei zu sein, bedeutet Vollständigkeit, die nach den Sternen greift. Was das beeindruckend ausgewogene S3 für mich zum Susvara-Kopfhörer des Kabellandes machte.
Zusammenfassung
Theoretisch sind die Chancen für einen Erfolg des Boenicke Audio S3 bestenfalls gering; seine Kaufpreis geht weit über denjenigen einiger von Sven’s Kernprodukte hinaus, seine Firma ist nicht für Kabel bekannt und der von hartem Wettbewerb überflutete Markt sieht aus wie ein richtiges Kriegsgebiet, was auch nicht hilft. Zumindest ist es das, was diejenigen, die sich der Funktionsweise der Branche bewusst sind, denken würden, ohne das S3 zu kennen. Nichtsdestotrotz hat der verschmitzte Schweizer mit dem S3 den Nagel genau auf den Kopf getroffen; er erkannte Qualität und Potenzial dieser Technologie genau richtig und kannte genau die richtige Person, um die S3-Idee in eine Bombe eines Performers zu verwandeln. So dass das S3 so weit von einem unbedeutenden Portfoliovergrößerer weg ist wie es nur geht. Das ist die Realität.
Das S3 ist gut verarbeitet und fühlt sich luxuriös genug an, um ein teures Produkt erkennen zu lassen, aber all das ist von untergeordneter Bedeutung und lässt sich leicht über viele andere Kabel sagen, die für weit weniger Geld zu haben sind. Technologische Exklusivität und ein auf Vertrieb basierendes Geschäftsmodell leisten einen viel besseren Beitrag zur Erklärung des unbestreitbar stolzen Kaufpreises. Aber er ist nicht unwirklich, wenn man alles in Betracht zieht. Die Leistung des S3 steht jedoch an erster Stelle, und das ist der Hauptgrund, warum es so kostspielig ist.
Meine Vertrautheit mit LessLoss-Produkten führte irgendwann zur folgerichtigen Frage, was wohl passiert, wenn man die LessLoss C-MARC Technologie weiter ausreizt – das S3 ist die Antwort. Es ist eine grosse Untertreibung zu sagen, dass dieses Produkt sehr gut klingt. Ich hatte in der Vergangenheit einiges an teuren Lautsprecherkabeln abbekommen, aber weder Transparenz, Vollständigkeit, Gesamtpotenz noch Ausgewogenheit wurden so explizit vorgeführt wie durch Sven’s C-MARC geladenes S3. Keines war an so vielen Fronten so effektiv wie dieses, und deshalb wurde das S3 zum Kabelmaßstab, den es zu schlagen gilt. Bis zum nächsten Mal!
Associated Equipment:
- Verstärker: Trilogy 925, Kinki Studio EX-M1
- Digital Analog Wandler: LampizatOr Pacific (KR Audio T-100 / Living Voice 300B + KR Audio 5U4G Ltd. Ed.)
- Lautsprecher: Boenicke Audio W8, Buchardt Audio S400
- Quelle: fidata HFAS-S10U
- Lautsprecherkabel: Luna Cables Rouge, LessLoss C-MARC
- Interconnects: Audiomica Laboratory Erys Excellence
- Stomversorgungskomponenten: Gigawatt PC-3 SE EVO+, Gigawatt PF-2 + Gigawatt LC-2 MK2 + Forza AudioWorks Noir Concept/Audiomica Laboratory Ness Excellence/LessLoss C-MARC
- Rack: Franc Audio Accesories Wood Block Rack
- Music: NativeDSD
Verkaufspreise des Testkabels in der EU (inkl. 22% MwSt.):
- Boenicke Audio S3 Lautsprecherkabel 2.0/2.5/3.0/3.5/4.0m: €7’744/8’657/9’575/10’498/11’414
Manufacturer: Boenicke Audio